Die Entführung aus dem Stall
nd so vergehen die Tage. Die Kinder spielen und sind bei den Tieren und eines Tages darf Ludwig sogar mit Onkel Franz auf dem großen Traktor mitfahren.
Von da oben sieht die Welt ganz anders aus.
Jule-Pule geht jeden Tag auf die Koppel oder in den Pferdestall. Nur zum Reiten ist sie noch nicht gekommen. Luise kümmert sich jeden Tag um die Häschen
und die Ziegen. Und selbstverständlich sind alle Kinder jeden Tag zweimal bei den Kälbchen.
Nach ein paar Tagen erklärt Jule-Pule beim Abendessen: "Übrigens komme ich morgen früh nicht in den Stall." "Wieso das denn nicht?", fragt Onkel Franz.
"Ich, ich muss mal ordentlich ausschlafen", sagt Jule-Pule. Und Luise, die wahnsinnig gerne lange schläft, sagt sofort: "Ich schlafe mit lange aus." "O.k.", sagt Ludwig, "dann bleibe ich auch mal länger im Bett."
Als die Kinder in ihrem Zimmer sind, sagt Onkel Franz zu Tante Hilde: "Die drei sind richtig geschafft. Na ja, Landluft macht eben müde." Und Tante Hilde ist froh, dass Jule-Pule müde und kaputt ist und nicht allzu viel Blödsinn machen kann. Aber in Wahrheit ist Jule-Pule kein bisschen müde, geschafft oder kaputt.
Jule-Pule hat doch tagelang gegrübelt, wie sie Onkel Franz die Sache mit dem leeren Stall heimzahlen kann. Und endlich ist ihr etwas eingefallen. Und es passt wunderbar in ihren Plan, dass Ludwig und Luise am nächsten Morgen auch nicht früh aufstehen
wollen.
Wieder muss Jule-Pule den ganzen Abend
warten bis Ludwig und Luise eingeschlafen sind. Wieder kneift sie sich andauernd in
den Arm um nicht einzuschlafen. Sie hat sich nämlich nicht getraut, Ludwig oder Luise
in ihr Vorhaben einzuweihen. Luise, weil die ein Schisshase ist und Ludwig - ja, den
hätte sie gerne dabei gehabt.
Aber ihr war das Risiko, dass er sie verpetzt,
einfach zu groß.
Als Ludwig und Luise endlich schlafen,
schleicht Jule-Pule sich barfuß und im Nachthemd zur Terrassentür hi-
naus. Wieder macht sie sich auf den Weg in den Stall. Diesmal geht sie vor-
bei an den Kühen und direkt in den Stall, in dem die Kälbchen sind. Der
Mond scheint hell durch ein Fenster.
Das ist, als ob Jule-Pule eine Taschenlampe hat.
Sie steuert auf Friedas Box zu und leise, ganz leise, öffnet sie die Tür von der Box. Frieda liegt auf dem Boden und schläft.
Jule-Pule greift Frieda am Halsband und zieht sie hoch. "Komm mit, Frieda. Heute wirst du eine schöne Nacht haben", sagt sie.
Dann schleicht Jule-Pule mit Frieda über den Hof. Sie will zur Terrassentür von ihrem Zimmer gehen. Nur Frieda kann leider nicht schleichen.
Jeder ihrer Schritte hallt auf den Steinen.
Und gerade als Jule-Pule um die Ecke biegen will, geht über ihr ein Fenster auf. "Was ist denn da los?", ruft Onkel Franz und steckt seinen Kopf heraus. Vor Schreck bleibt Jule-Pule wie angewurzelt stehen.
Erwischt! Ihre Knie fangen an zu schlottern und sie hat mächtig Schiss.
Ein paar Sekunden später steht Onkel Franz neben ihr. "Was um alles in der Welt machst du hier nachts mit einem Kalb?", fragt er. Jule-Pule stottert ein paar unverständliche Brocken. Endlich sagt sie: "Frische Luft schnappen."
Inzwischen ist auch Tante Hilde heruntergekommen. "Hilde, das Kind muss Fieber haben. Es redet wirres Zeug", sagt Onkel Franz zu seiner Frau. Aber Tante Hilde kennt doch ihre Jule-Pule. Sie sagt: "Das ist bestimmt eine von ihren verrückten Ideen. Da steckt irgendeine Dummheit dahinter."
Doch Onkel und Tante kriegen aus Jule-Pule nichts heraus. Schließlich nimmt Onkel Franz das Kalb und bringt es zurück in den Stall.
Jule-Pule läuft so schnell sie ihre Beine tragen können zur Terrassentür, rein ins Zimmer und springt in ihr Bett.
"Du Franz", sagt Tante Hilde, "ich glaube die wollte das Kalb mit in ihr Bett nehmen." "Ach, Papperlapapp", sagt Onkel Franz und er hat keine Ahnung wie Recht die Tante mit ihrer Vermutung hat.
Als Ludwig am nächsten Morgen aufwacht, rümpft er die Nase. Ein merkwürdiger Geruch liegt in der Luft. Dann sieht er grünliche Flecken auf dem Fußboden, die von der Terrassentür bis zu Jule-Pule's Bett gehen.
"Es stinkt!", schreit er auf einmal so laut, dass nun auch die beiden Mädchen wach werden. Jule-Pule fährt wie eine Rakete im Bett hoch. Es stinkt in der Tat abscheulich. Und es stinkt aus ihrem Bett heraus.
Vorsichtig zieht sie ihre Bettdecke zurück und da sieht sie das Unglück. "Mist", sagt sie, "Mist, ich bin heute Nacht in Kuhscheiße getreten."